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Der Umgang mit emotionalen Konflikten in Unternehmerfamilien

By January 1, 2023January 30th, 2023No Comments

von Regine Wieland

Bei der gemeinsamen Erarbeitung eines Inhaberstrategiekonzepts oder eines Notfallplans sind komplexe juristische, betriebswirtschaftliche und steuerliche Fragen mit der Unternehmerfamilie zu besprechen. In diesem Zusammenhang werden aber auch sehr emotionale, den familiären Bereich betreffende Themen tangiert. Wir erleben immer wieder, dass im Verlauf des Prozesses emotionale Spannungen oder Konflikte innerhalb der Unternehmerfamilie zutage treten. Gleich vorab: Streit gibt es in jeder Familie, mehr oder weniger. Bei Unternehmerfamilien besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Streit schädigend auf das Unternehmen auswirkt. Deshalb ist dieses Thema und vor allem der professionelle Umgang damit für uns wichtig.

Die im Rahmen des Inhaberstrategieprozesses behandelten Fragen betreffen sowohl die Familie, die Führung des Unternehmens als auch die Inhaberschaft. Sie lauten zum Beispiel: wer tritt die Nachfolge des Unternehmers an oder wer darf im Unternehmen mitarbeiten? Wer hat Entscheidungsbefugnis und wer kontrolliert die Entscheidungen? Was wird an die Gesellschafter ausgeschüttet? Wer bekommt was? Diese Fragen haben es in sich. Es wird vor allem nicht „mal eben darüber gesprochen“, sondern es läuft ein strukturierter Prozess ab, der auf die Erzielung von Ergebnissen und deren konsequenter Umsetzung ausgerichtet ist. Dabei wird von jedem einzelnen der Beteiligten eine ganz persönliche Positionierung zu den diskutierten Fragen gefordert. Mit dieser Situation ist mancher Teilnehmer aufgrund emotionaler Widerstände schlichtweg überfordert. Gefühle wie Eifersucht, Neid oder Verbitterung aufgrund von Geschehnissen in der Vergangenheit, verhindern eine sachliche Diskussion. Manche der betroffenen Familienmitglieder wagen es nicht, ihre wahren Beweggründe zu in der Runde zu äußern und ziehen sich hilflos zurück. Die Kommunikation gerät ins Stocken, Spannungen und Konflikte treten offen zutage. An eine einvernehmliche und konstruktive Lösung der aufgeworfenen Fragen ist nicht mehr zu denken. Es gibt Fälle, in welchen die Mitgesellschafter nicht einmal mehr bereit sind, an den Workshops teilzunehmen und Gespräche mit den Mitgesellschaftern zu führen.

In dieser Situation ist hilfreich, wenn die auf der Beraterseite Mitwirkenden diese Konflikte erkennen und den Mut haben, sie gegenüber der Familie offen und deutlich anzusprechen. Dies alleine hilft der Unternehmerfamilie zwar noch nicht weiter, doch es ist der erste Schritt hin zu einer Lösung. Es kommt nun darauf an, konstruktiv mit dieser Situation umzugehen.

Die Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern im Rahmen des Workshops in Gang zu halten ist deshalb wichtig, weil das Gespräch unter den Beteiligten die Voraussetzung dafür ist, die Konflikte abseits von kostenintensiven und von der Öffentlichkeit neugierig verfolgten Prozessen beilegen zu können. Sollte dies aufgrund der oben geschilderten Verweigerungshaltung einzelner nicht gelingen, besteht die Möglichkeit, die Betroffenen bei der Lösung ihrer individuellen Probleme durch den Einsatz des systemischen Coachings in Form von Einzelgesprächen zu unterstützen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Betroffene dies möchte. Nur der Klarstellung halberweisen wir darauf hin, dass diese Gespräche absolut vertraulich behandelt werden müssen. Eine Berichterstattung an den Patriarchen als Auftraggeber ist ausgeschlossen, außer der Betroffene hat sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt. Der Inhalt des Gesprächs wird auch nicht, wie in einem Fall gefordert, im Verlauf eines Workshops am Flipchart präsentiert und besprochen. Das muss allen Beteiligten von vornherein klar sein.

Das Ziel des Einzelgesprächs ist, das Familienmitglied in seiner wie auch immer begründeten Verweigerungshaltung abzuholen, ihn an die Gespräche wieder heranzuführen und in die Lage zu versetzen, für sich persönlich eine bewusste Entscheidung zu treffen und eine Lösung zu finden.

Es kommt vor, dass das betroffene Familienmitglied im Rahmen dieses Einzelgesprächs zum ersten Mal die Gelegenheit hat, sich ganz frei zu äußern und seine Sicht der Dinge darzustellen. Es hört ihm jemand zu und akzeptiert das von ihm Gesagte, ohne ihn gleich auf die übergeordneten Belange des Unternehmens hinzuweisen und Disziplin einzufordern. Dies gestattet es ihm, sich zu öffnen und seine individuellen Bedürfnisse und Gefühle auszusprechen. Allein dieses Gespräch wirkt oft wie ein Ventil und schafft in vielen Fällen für den Betroffenen selbst eine emotionale Entlastung.  Dem Coach ermöglicht es, die Beweggründe des Betroffenen wahrnehmen und verstehen zu können.

Wichtig ist auch, den Betroffenen über seine ganz persönlichen Erfahrungen sowohl mit der Familie als auch mit dem Unternehmen erzählen zu lassen. Dabei kommen häufig emotionsgeladene Geschwisterkonflikte, Vater-Sohn- oder sonstige Familienkonflikte zur Sprache. Auslöser sind meist Geschehnisse in der Vergangenheit, die zu persönlichen Kränkungen oder Verletzungen führten. Häufig ist sich der Verursacher dieser Verletzungen und der dadurch verursachten Gefühle gar nicht bewusst. Noch schlimmer ist es, wenn der Konflikt von einer voran gegangen Generation an die jetzige weitergegeben wurde und dieser die Stämme des Familienunternehmens entzweit.

Das Gespräch bietet dem betroffenen Familienmitglied auch die Möglichkeit, seinen bisherigen Standpunkt zu überdenken. Hierzu schaut sich der Coach mit ihm die drei Systeme Familie, Unternehmen und Inhaberschaft separat an und verschafft dem Klienten damit einen Überblick und die Chance, die Ursachen für die Konfliktsituation selbst zu erkennen. Dies wiederum versetzt ihn in die Lage, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Darüber hinaus kann er auch die Position der anderen Beteiligten, zum Beispiel die des Vaters oder eines anderen Kontrahenten besser wahrnehmen und vielleicht sogar akzeptieren. Das heißt noch lange nicht, dass der Konflikt damit gelöst ist. Aber es wird möglich, damit umzugehen.

Basierend auf diesen Erkenntnissen, kann der Betroffene jetzt seinen persönlichen Standort im jeweiligen System bestimmen und überlegen, wo er in der Zukunft stehen möchte und was er dafür bereit ist zu tun, um dies umzusetzen. Dies wiederum verhilft ihm dazu, für sich seine eigene Rolle zu definieren, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Ist dies erst einmal erreicht, hat er die Möglichkeit, sich wieder in die Gespräche einzubringen und seine Entscheidung gegenüber der Familie kommunizieren.

Wir wollten Ihnen mit unserem Beitrag zeigen, dass es auch bei emotionalen Spannungen und Konflikten innerhalb der Familie Möglichkeiten gibt, damit umzugehen. Und wir möchten an Sie als Unternehmer appellieren, sich darüber Gedanken zu machen und zu überlegen, wie Sie eine emotionale Grundlage in der Beziehung zu Ihrer Familie schaffen können. Eine Beziehung, die es Ihnen ermöglicht, mit Ihren Kindern auch über persönliche Probleme zu sprechen. Hören Sie öfters zu und zeigen Sie Verständnis. Deshalb forderte Michael Ringier in einem im Handelsblatt in 2018 veröffentlichten Interview die Unternehmer zu Recht auf:

 „Kümmert euch mehr um Eure Familie als ums Unternehmen. Die emotionale Grundlage muss stimmen. Eine Familie, die sich nicht mag, wird nie eine Firma in die fünfte Generation bringen.“